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atriga News

Im Gespräch mit Prof. Dr. Florian Artinger:

Wie transparente KI die Prozesse im Forderungsmanagement verbessert (2/2)

Einer der Tätigkeitschwerpunkte von Simply Rational im Bereich Forderungsmanagement ist die Frage, warum Menschen ihre offenen Rechnungen nicht bezahlen und wie man die Interaktion mit ihnen durch wissenschaftliche Methoden und Machine Learning verbessern kann. Als willkommener Kooperations- und Sparringspartner kommt die atriga ins Spiel. Das Unternehmen hat als Vorreiter im digitalen und kundenfreundlichen Forderungsmanagement bereits seit vielen Jahren große Expertise entwickelt und will nun mit Simply Rational einen weiteren Schritt in die Zukunft der Schuldnerkommunikation gehen.

 

Lesen Sie hier den zweiten Teil des Interviews mit Prof. Dr. Florian Artinger.

Es geht um eine Reduktion der Komplexität von Algorithmen?

Man kann mit geeigneten Mitteln intransparente Machine-Learning-Algorithmen aufbrechen und für den Menschen zugänglich machen. Mensch und Maschine treffen dann gemeinsam viel bessere Entscheidungen als Mensch oder Maschine alleine. Das heißt, die Richter haben jetzt mit dem Vorschlag des Algorithmus eine weitere Entscheidungsbasis. Sie erkennen, warum der Algorithmus seine Entscheidung so getroffen hat und können diese dann selber anreichern. Das heißt, in diesem Kontext kooperieren Mensch und Maschine ideal miteinander.

 

KI soll den Menschen unterstützen, nicht ersetzen?

Richtig. Das Schlagwort lautet hier transparente KI oder Augmented Intelligence, also erweiterte Intelligenz. Letztendlich geht es ja darum, Machine Learning als Werkzeug zu verstehen und damit zu kombinieren, was der Mensch gut kann. Wie wirkt sich der Einfluss von Machine Learning und Algorithmen auf die Wahrscheinlichkeit aus, dass Schuldner ihre offenen Rechnungen bezahlen oder nicht? Bei den Antworten darauf hilft uns die Tatsache, dass man im Forderungsmanagement über einen relativ großen Datenbestand verfügt. Sie zeigen unter anderem, dass die Gründe für eine Verschuldung relativ stabil und wiederkehrend sind. Aus diesen Daten kann man gute Prognosen dafür erstellen, unter welchen Umständen und wann eine Person zahlen wird.

Darüber hinaus ist die Interaktion mit den betroffenen Menschen besonders wichtig, also das Eingehen auf seine individuellen Umstände. Den Mitarbeitern im Telefoninkasso stellen wir die Informationen, die der Algorithmus aus den Datensätzen gewonnen hat, transparent und schnell zur Verfügung. Dann hat der Mitarbeiter eine gute Informationsbasis, um intuitiv auf die angerufene Person einzugehen und sie emotional abzuholen. Da entsteht eine starke Symbiose aus Daten und der Expertise des Mitarbeiters im Contact Center.

„atriga bietet eine spannende White Label-Lösung für die kaufmännischen Mahnprozesse in Unternehmen und Konzernen an. Diese werden ganz einfach an der bereits vorhandenen Schnittstelle zu ihren SAP oder anderen Legacy-Systemen abgeholt und können so die unternehmenseigenen Prozesse direkt nach Eintritt einer Zahlungsstörung optimal und zukunftsorientiert gestalten.“

Prof. Dr. Florian Artinger

Prof. Dr. Florian Artinger ist Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Associate Researcher an der Warwick Business School. Artinger arbeitet und forscht an der Schnittstelle zwischen Ökonomie, Management und Psychologie. Für seine Forschungsarbeit nutzt er unter anderem Big Data aus Internetmärkten, Experimentalstudien und Computersimulationen. www.simplyrational.de

Inwieweit verändert die aktuelle Corona-Situation das Schuldnerverhalten?

Schauen Sie sich nur an, wie Corona das Machine Learning dramatisch in die Irre geführt hat: Im Februar und März dieses Jahres wurden die Flugpreise wild durcheinander gewürfelt, weil die Datenbasis nicht mehr stimmte. Mit Corona ist also etwas passiert, was es so noch nie gegeben hat. Im Inkassobereich ist das zu einem gewissen Grad ähnlich: Es gab Anfang dieses Jahres große Einbrüche im Konsumverhalten. Gleichzeitig sind die Gründe, warum Menschen Schulden machen oder offene Forderungen nicht bezahlen, sehr ähnlich geblieben. Deutlich gestiegen ist allerdings der Anteil an Gründen für kurzfristige, teilweise auch langfristige Zahlungsengpässe. Dagegen ist die Aussage, man habe die Rechnung „einfach übersehen“, signifikant gesunken. Wir haben Systeme, die konkret auf diese einzelnen Gründe eingehen und sie antizipieren können. Damit kann man arbeiten, um den Schuldner abzuholen und eine Win-Win-Situation zu generieren.

 

Wie gestaltet sich die Kooperation mit atriga?

Gerade atriga ist auf diesem Gebiet seit vielen Jahren erfolgreich unterwegs und hat spannende Arbeit geleistet. Zum Beispiel über digitale Kommunikation zu ermitteln, wo der Schuldner steht und wo die Reise noch hingehen kann. Gleichzeitig gibt es noch zusätzliche, spannende Ansatzpunkte. Vor allem gehört dazu, die Interaktion mit dem Schuldner rein automatisiert zu gestalten. Allerdings kann hier manchmal nicht mehr nachvollzogen werden, warum welcher Schuldner wie angesprochen wurde und was wirklich funktioniert. Unser Ansatz ist es daher, Transparenz in diese Prozesse zu bekommen und dann gewisse Aspekte – zum Beispiel in einer Mahnreihe – anzugehen und zu automatisieren. Aber immer so, dass man nachvollziehen kann, warum sich das System so oder so verhält. Und wann und wie ich gegensteuern sollte, um noch bessere Entscheidungen für Maßnahmen treffen zu können.

 

Das klingt nach einem großen Nutzen für beide Seiten?

Ja, das stimmt. Beide Seiten können hier sehr stark davon profitieren, die atriga-Expertise mit unseren maschinellen Ansätzen zu kombinieren. Das ist genau der Punkt, über den wir gerade mit atriga reden. Außerdem bietet atriga eine spannende White Label-Lösung für die kaufmännischen Mahnprozesse in Unternehmen und Konzernen an. Diese werden ganz einfach an der bereits vorhandenen Schnittstelle zu ihren SAP oder anderen Legacy-Systemen abgeholt und können so die unternehmenseigenen Prozesse direkt nach Eintritt einer Zahlungsstörung optimal und zukunftsorientiert gestalten.

Ähnlich wie im vorgerichtlichen Inkasso werden hier von Simply Rational die Inhalte auf den einzelnen Kunden und dessen offene Forderungen abgestimmt mittels Methoden aus der Psychologie und Machine Learning. Wir haben hierfür das Wissen aus der Psychologie und aus dem Machine Learning, um diese Prozesse systematisch und Schritt für Schritt zu automatisieren. Und dabei so individuell zu gestalten, dass im Mahnprozess entscheidende Vorteile im Vergleich zum üblichen Standardprozess vieler Unternehmen entstehen.

 

Wieviel IT-Kenntnis ist dazu notwendig?

Wir modellieren kognitive Prozesse von Menschen. Dabei wird mittlerweile sehr viel mit Machine Learning gearbeitet, um diese Aspekte nachzuvollziehen und ähnliche Modelle bauen zu können. Deswegen verfolgen wir auch gleichzeitig einen sehr technischen Ansatz, verfügen über Wissen nicht nur aus der klassischen Psychologie, sondern eben auch aus der Statistik und aus dem Machine Learning.

 

Wie funktioniert das im Detail?

Wir verarbeiten anonymisierte und datenschutzgerecht aufbereitete Datensätze, mit denen wir die Algorithmen trainieren. Unsere Auftraggeber können das vor Ort in ihrem System in sogenannten Docker Boxes umsetzen. Der Prozess sieht wie folgt aus: Der Auftraggeber greift auf den Input seines bestehenden Systems zu und nutzt dann unsere Algorithmen, um die Daten zu verarbeiten und in einen relevanten Output zu verwandeln, der dann wiederum vom klassischen System verarbeitet werden kann. Alternativ nutzen wir zusammen mit unserem Kunden einen Cloud-Dienst und arbeiten dort für ihn.

 

Zum Schluss vielleicht ein kleiner Ausblick: Wie wird sich das ganze Thema KI weiterentwickeln?

In den fünfziger Jahren war man der Ansicht, dass nicht die Maschine das Endprodukt ist, sondern dass es immer um die Interaktion zwischen Mensch und Maschine geht. Also die Maschine als ein Werkzeug begreift, das der Mensch nutzt. Heute liegt der Fokus immer mehr darauf, Algorithmen so zu gestalten, dass man als Mensch effektiv damit arbeiten kann. Das ist sicher einer der großen Trends, die wir augenblicklich am Horizont sehen. KI als Werkzeug, mit dem der Mensch gute Entscheidungen treffen kann und die ihn in relevanten Aspekten unterstützt.

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